Diese Frage hat im 6. Jahrhundert vor Christus der Prophet Jeremia gestellt. Es sind die Worte des Monatsspruchs für den September. Aber was haben uns diese Worte noch zu sagen – immerhin ist das 2600 Jahre her?
Nun, diese Worte erinnern mich an eine aktuelle Diskussion in der evangelischen Kirche. „Wir beten an den Kuschelgott“, das wirft der Theologe Friedrich Wilhelm Graf seiner Kirche vor. Die Predigerinnen und Prediger würden Gott zunehmend als einen Kuschelgott preisen, an dem sich wer auch immer fröhlich erwärmen könne. Er schreibt: „Das erste Gebot des neuen Kults von Einfühlsamkeit und Herzenswärme lautet: Fühle dich endlich wohl! Gott will das so. So wird das Christentum zu einer Wellness-Religion gemacht. Selbst in den Kirchen feiern manche Gläubige nur noch sich selbst.“
Hat er recht? Diese Frage müssen wir stellen. „Wellness“ – das ist für viele Menschen heute ja sehr wichtig. Sich wohlfühlen, es sich gut gehen und verwöhnen lassen – in der Sauna oder in anderen Gesundheitstempeln, das lassen sich einige Menschen etwas kosten.
Und ja, so sehr Menschen manchmal in ihrem Leben daran zu leiden haben, dass Gott weit weg und nicht erreichbar scheint – ich finde schon, dass da etwas dran ist und auf die Religion abfärbt. Ein Gott zum Kuscheln, das ist vielen sympathisch. Ein Gott, der sozusagen in erster Linie dafür da ist, dass ICH mich wohlfühle und es mir gut geht. Viele Menschen möchten, dass Gott ihnen nahe ist, aber sie möchten nicht, dass er ihnen zu nahe tritt. Sie möchten zwar, dass Gott ihre Gebete hört und auch erhört, aber sie möchten keinesfalls auf ihn hören, ihm nicht gehorchen. Sie wünschen sich Gott als Diener, der ihnen das Leben schön einrichtet, aber als Herrn lehnen sie ihn ab. Das war schon immer so, auch in Zeiten, in denen es äußerlich viel frommer zuging als heute …
Bei Jeremia damals im 6. Jahrhundert vor Christus war die Lage ernst. Jerusalem war von den Babyloniern erobert, und alle Handwerker und wichtigen Politiker waren deportiert worden. In Jerusalem regierte der Vasallenkönig Zedekia, den der babylonische Herrscher Nebukadnezar eingesetzt hatte. Und Zedekia versuchte heimlich, sich mit Ägypten zu verbünden, um die Babylonier zu besiegen. Dazu wurden die Propheten befragt, und nur Jeremia war dagegen.
Allerdings – und das möchte ich zum Schluss nochmal betonen – ist die Bibel voll von Geschichten, die Gott als jemanden schildern, der unsere Nähe sucht. Deshalb ist er ja auch in Jesus von Nazareth in diese Welt gekommen. Und nicht ohne Grund wird in Psalm 34, Vers 19 gebetet: „Der Herr ist nahe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilft denen, die ein zerschlagenes Gemüt haben.“
Ihr Pfarrer Christoph Felten