„Heia hussasa, der Herbst ist da“

Am 23. September ist offiziell Herbstanfang. Und bestimmt wird in vielen Kindergärten in den nächsten Wochen wieder das Lied gesungen: „Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da – Er bringt uns Wind, hei hussasa – Schüttelt ab die Blätter, bringt uns Regenwasser – Heia hussasa, der Herbst ist da“. Es klingt toll, wenn Kinderstimmen diese Strophe laut und fröhlich singen.

Der Herbst ist eine besondere Jahreszeit. Die Blätter werden rot, gelb, orange, braun und färben den Herbst bunt. Das ist schön anzusehen. Aber die Blätter fallen von den Bäumen. Wir spüren, dass sich etwas verändert. Das Jahr geht dem Ende zu, die Bäume werden erst bunt und dann kahl, alles scheint sich zurückzuziehen. Vielleicht auch die Laune. Vielleicht macht sich eine melancholische Stimmung bei der einen oder dem anderen breit. Das Auf und Ab im Jahresverlauf, in der Vegetation, im persönlichen Leben. Ich spüre die Endlichkeit der Schöpfung, des eigenen Lebens, des Lebens überhaupt. – Wir sprechen auch vom Herbst des Lebens und meinen damit das Alter. Wir wehren uns gegen diesen Prozess. Es fällt schwer, ihn zu akzeptieren. Der Herbst stimmt uns auch nachdenklich. Automatisch denken wir über uns nach. Was geschieht mit uns, wenn uns die Kräfte ausgehen und wir zu Boden sinken?

Der Dichter Rainer Maria Rilke hat solche Gedanken in einem Gedicht sehr einfühlsam so aufgenommen:

Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

Dieses Herbstgedicht ist kein ausdrücklich christliches Gedicht. Doch es trägt, vor allem am Schluss, deutlich religiöse Züge. Obwohl Rilke das Wort „Gott“ vermeidet und stattdessen von dem „Einen“ spricht, hat es eine tröstliche Botschaft, die sich vom christlichen Glauben her füllen lässt. Die Bewegung des Falls ist gehalten von den tragenden Händen des Einen, Gottes, des Schöpfers und Erlösers. Der Macht des Todes ist damit eine Grenze gesetzt. Das Versinken in Trauer, Verzweiflung und Einsamkeit ist nicht bodenlos.

Nicht immer ist das Gehaltenwerden von Gott unmittelbar zu spüren, es geschieht „unendlich sanft“. Und doch sind Gottes Hände ein zuverlässig tragender Grund. Lese ich das Gedicht im Licht der biblischen Botschaft von der Auferstehung, so kann es zu einem Zuspruch der Liebe Gottes in finsteren Momenten des Lebens werden.

Einen gesegneten Herbst 2023 wünscht

Pfarrer Christoph Felten